Hanau. Dienst in der Tagesstätte, Unterstützung im Herbergsbetrieb oder Besorgungsfahrten: Die Aufgaben beim Freiwilligendienst im Franziskus-Haus sind vielfältig. Doch egal, welche Aufgabe gerade auf der Tagesordnung steht: Am Ende steht hier der Kontakt mit den Menschen von der Straße im Mittelpunkt. Die vielen persönlichen Begegnungen sorgen dabei dafür, dass man sich auch selbst verändert und entwickelt, wie Martin Jacobi, Sam Hashemi und Nini Nguyen berichten. Alle drei sind gerade als Freiwillige im "gelben Haus" im Einsatz und geben einen kleinen Einblick in ihre Erfahrungen dort.
Mit geübten Griffen füllt Martin Jacobi die Kaffeetasse und reicht sie über die Theke der Tagesstätte. Über das Modell des "Engagierten Vorruhestandes" für Beamte der ehemaligen Post und ihren Nachfolgeunternehmen leistet er seinen Bundesfreiwilligendienst im Franziskus-Haus. "Es ist noch einmal eine ganz neue Erfahrung", findet er. Die ersten Monate seien dabei durchaus eine Umstellung gewesen, wie er verrät. Im vergangenen März hat er hier angefangen. Vorher war er als Ingenieur für Nachrichtentechnik im Projektmanagement bei der Telekom tätig. Termine, Budgets, feste Ziele: All das gebe es so im Franziskus-Haus nicht. "Hier geht es um die Menschen", fasst er zusammen. Und diese kommen mit ganz unterschiedlichen Anliegen und Bedürfnissen in die Einrichtung der ökumenischen Wohnungslosenhilfe, wie auch seine beiden jungen Kolleginnen wissen. Die 21-jährige Sam Hashemi und die 19-jährige Nini Nguyen machen hier ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Ich habe mich noch nicht bereit gefühlt, direkt in eine Ausbildung zu gehen", erklärt Hashemi. Durch die Corona-Pandemie habe sie sich zunehmend isoliert gefühlt. Mit dem FSJ möchte sie etwas für ihre soziale Entwicklung machen und Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen in besonderen Lebensumständen sammeln. Ihr eigentlicher Berufswunsch sei Bestatterin. Auch für Nini Nguyen spielte die Pandemie eine Rolle bei der Entscheidung, ein FSJ zu machen: "Für mich war eigentlich schon klar, dass ich gerne Soziale Arbeit studieren möchte", erzählt sie. "Aber ich hatte keine Lust, damit während Corona zu beginnen." Den ganzen Tag vorm PC sitzen und nur Online mit anderen in Kontakt kommen ist für sie kein reizvoller Ausblick. Sie möchte lieber direkt mit Menschen zu tun haben. Das ist bei ihrem FSJ im Franziskus-Haus auf alle Fälle gegeben. Gleichzeitig hat sie hierbei die Gelegenheit, schon einmal in ihr späteres potentielles Berufsfeld hinein zu schnuppern und erste Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. So unterschiedlich die Beweggründe waren, die die drei zu ihrem Freiwilligendienst veranlasst haben: Die Erfahrung ist für alle eine Bereicherung, wie sie übereinstimmend berichten. Dabei fühlen sie sich auch im Team ausgesprochen gut aufgenommen: "Man ist hier wirklich auf Augenhöhe miteinander." Sie bekommen einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Fachbereiche der ökumenischen Wohnungslosenhilfe und loben den offenen und respektvollen Umgang aller miteinander. "Hier fühlt man sich einfach wohl."
Der Kontakt mit den Klient*innen der Einrichtung hat dabei ebenfalls etwas bei den dreien bewegt, wie Nguyen berichtet: "Man hat oft ein bestimmtes Bild von Obdachlosen", so die 19-Jährige. "Aber Obdachlosigkeit betrifft so viele verschiedene Menschen, die ganz unterschiedlichsten Sachen erlebt haben." Längst nicht jedem sieht man an, dass er auf der Straße lebt. Zu sehen, wie unterschiedlich Wohnungslosigkeit aussehen kann, und wie schnell dies manchmal gehen könne, habe ihren Blick verändert. Der Einblick in die persönlichen Lebenserfahrungen der Betroffenen hat auch bei Hashemi tiefen Eindruck hinterlassen. Wie viele der Klient*innen im Franziskus-Haus mit ihren Schicksalsschlägen umgehen, beeindruckt sie sehr. Für sie gerade Halbzeit im FSJ. Aber schon jetzt habe sich die Zeit für sie gelohnt. Warum genau, kann sie gar nichts so in Worte fassen: "Ich fühle aber, dass ich mich selbst durch die Zeit hier verändert und entwickelt habe." Eine Einschätzung, die auch ihr 56-jähriger Freiwilligendienst-Kollege Jacobi teilt: "Die Zeit hier verändert den Blick auf das eigene Leben. Man wird dankbar für das, was man hat." Er ist froh, dass es Einrichtungen wie das Franziskus-Haus gebe, in denen Menschen von der Straße einen sicheren Anlaufpunkt finden an dem sie zur Ruhe kommen können oder auch Hilfsangebote in Anspruch nehmen können. Eine Aufgabe, die ihm im Rahmen seines Freiwilligendienstes dabei besonders gefreut habe, sei der Transport von Möbeln gewesen: "Zu erleben, wenn jemand von der Straße über die Herberge und das Übergangswohnheim in eine eigene Wohnung zieht, ist einfach der schönste Moment." Zweimal durfte er das in seiner Zeit hier erleben.
Für ihn und Nguyen geht die Zeit im "gelben Haus" langsam zu Ende. Nguyen denkt aber darüber nach, ihren Freiwilligendienst noch einmal zu verlängern. Grundsätzlich freut sich die Einrichtung aber immer über tatkräftige Unterstützung in Form von neuen Freiwilligendienstleistenden: "Wir haben zum ersten März und zum ersten April wieder freie Stellen", fasst Einrichtungsleiter Rainer Broßmann zusammen. Über Bewerbungen freue man sich immer. Weitere Informationen zum Freiwilligendienst gibt es hier.