Gelnhausen. Ein herzliches Lachen im Gesicht, die Augen strahlen voll Energie: Es gibt wenige Menschen, die so ansteckend positiv wirken, wie Ursula Streicher. Dass die Gelnhäuserin vor wenigen Wochen ihren 80. Geburtstag feierte, kann man kaum glauben. Die Liste an Interessen und Aktivitäten, denen sie nachgeht, ist lang. Ein Ehrenamt, das ihr dabei besonders am Herzen liegt, ist die Tätigkeit als Hospizbegleiterin.
Liebevoll blickt Streicher auf den kleinen metallenen Engel in ihrer Hand: eine Erinnerung an ihre erste Begleitung vor vielen Jahren. Seit 2003 ist sie als ehrenamtliche Hospizbegleiterin der Arbeitsgemeinschaft Hospizdienst (AGH) in Trägerschaft des Caritas-Verbandes für den Main-Kinzig-Kreis tätig. Wie vielen Menschen sie seitdem auf dem letzten Stück ihres Lebensweges zur Seite gestanden hat, weiß sie nicht mehr. "Es waren einige", stellt sie aber fest. An so manche davon erinnert sie sich besonders. Manche waren sehr kurz und intensiv, andere dauerten länger. Wie eben jene erste Begleitung, frisch nach der Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin. "Diesen Mann habe ich zwei Jahre begleitet", erinnert sie sich. Der kleine Engel ist ein Andenken an ihn. Sie hat ihn nach der Beerdigung von seiner Tochter überreicht bekommen, die ihr erzählte, dass ihr Vater den Engel noch selbst ausgesucht und für sie gekauft hatte. Seitdem hält sie ihn in Ehren. Beim Blick auf die kleine Figur werden viele Erinnerungen wach: "Wir sind viel zusammen spazieren gegangen", erinnert sich Streicher. Die letzte Tour noch mit Sauerstoffgerät. In vielen persönlichen Gesprächen ist eine enge Bindung entstanden. Etwas, das nur möglich sei, wenn Begleitungen entsprechend frühzeitig begonnen werden, wie Streicher feststellt: "Heute rufen die Leute oft erst sehr spät an", stellt sie mit Bedauern fest. Dabei könne die ambulante Hospizbegleitung für die Betroffenen sehr bereichernd sein. Noch immer sei vielen Menschen aber gar nicht bewusst, dass es neben stationären Einrichtungen auch ein solches aufsuchendes Angebot gebe, bei den die Hospizbegleiter zu den Betroffenen nachhause kommen. Viele sterben am Ende im Krankenhaus oder einer stationären Einrichtung. "Aber nichts ist schöner, als wenn jemand auch in seiner gewohnten Umgebung sterben darf", ist Streicher überzeugt.
Als gelernte Krankenschwester hat sie viele Jahre im OP gearbeitet, später dann 18 Jahre in der ambulanten Pflege. Was sie dabei sehr bedauerte, war die nur eingeschränkte Zeit, die sie für ihre Patienten zur Verfügung hatte. "Dabei ist Zuwendung viel wichtiger als alles andere", findet sie. Als sich ihr aktives Berufsleben dem Ende näherte, hörte sie dann von der ehrenamtlichen Tätigkeit als Hospizbegleiterin. 2002, in ihrem letzten Dienstjahr vor dem Ruhestand, begann sie die einjährige Ausbildung, seitdem ist sie als Hospizbegleiterin immer wieder im Einsatz. Ihr großes Engagement und ihre offene und lebhafte Art sorgen nicht nur für wertvolle Stunden bei den Betroffenen, auch die hauptamtlichen Koordinatorinnen der AGH sind immer wieder beeindruckt vom Einsatz der 80-Jährigen: "Eines Morgens löste ich selbst noch müde um fünf Uhr Uschi am Bett einer 94-jährigen alleinstehenden Dame ab", berichtet Annette Böhmer, Fachbereichsleiterin der AGH. "Von 21:00 - 05:00 Uhr hatte sie hier gesessen, Wasser angereicht, geredet, Ruhe und Sicherheit ausgestrahlt." Dann habe sie fröhlich und voller Energie ihre Thermoskanne und Wolldecke eingepackt und Böhmer ihren Dienst auch für die kommende Nacht angeboten. "Es ist für mich nicht nur das "was" sie tut, sondern auch "wie" sie es tut", stellt Böhmer fest. "Ihr Tun strahlt soviel Fürsorge, Sicherheit und Zuversicht aus. Und es kommt direkt aus dem Herzen." Sie sei sehr dankbar, dass Streicher einen Teil ihrer Zeit in den Dienst der AGH stelle und oft auch flexibel und kurzfristig bereit sei, die eigenen Pläne umzuwerfen und einem Sterbenden ihre Zeit zu schenken. "Das ist wirklich außerordentlich Besonders", findet Böhmer.
Für Streicher selbst ist ihr Engagement Ehrensache. Kraft und Antrieb gibt ihr dabei ihr Glaube. Als Mitglied der Freikirche der siebten Tags Adventisten ist sie überzeugt: "Wenn ich mein Leben mit Christus gestalten will, kann ich gar nicht anders, als für andere da zu sein." Streicher engagiert sich in der Kirchengemeinde und ist auf vielerlei andere Art und Weise aktiv. Der regelmäßige Besuch im Schwimmbad gehört für die an der Nordsee Aufgewachsene fest dazu. "Ich bin eher von der schnellen Sorte", fasst sie mit einem Lachen zusammen. Da müsse sie sich manchmal ein bisschen bremsen. Nicht jeder könne mit ihrem Tempo immer Schritt halten. Das gelte auch für die Begleitungen. "Aber man ist ja bis ins hohe Alter hinein lernfähig", fügt sie mit einem Augenzwinkern an und findet, dass sie da schon viel besser geworden sei als früher. Hier sei es immer am wichtigsten, sich auf die Wünsche und Bedürfnisse des Betroffenen einzustellen, sich an die verschiedensten Situationen anzupassen. Denn gerade Trauer und Abschied seien sehr individuell. "Es gibt da keine Normen", stellt sie fest. Den Menschen hierbei zur Seite zu stehen, ist für die Gelnhäuserin eine echte Herzensangelegenheit. Uns so denkt sie auch noch lange nicht ans Aufhören: "Die 20 Jahre will ich auf alle Fälle noch voll machen", verrät sie mit einem Blick auf ihre aktive Dienstzeit in der AGH. "Und dann sehen wir weiter."