Gelnhausen. Drei Frauen sitzen in einem Park, ein Mann blickt nachdenklich in die Ferne, eine andere Frau lächelt freundlich in die Kamera: Auf den ersten Blick Bilder, wie man sie auch im Alltag häufig findet. Und doch verbirgt sich hinter den Gesichtern auf den Schwarzweißaufnahmen von Jörg Engelhardt noch etwas mehr. Denn alle, die auf den Portraits in seiner Ausstellung im Caritas-Zentrum Gelnhausen abgebildet sind, sind in Selbsthilfegruppen aktiv. Ein Thema, das trotz seiner großen Vielfalt und Bedeutung für Betroffene, nur selten in dieser Form in der Öffentlichkeit steht.
Analog und ohne Blitzlicht oder Nachbearbeitung: Mit seinen Bildern möchte Engelhardt die Welt so zeigen, wie sie ist. Heraus kommen eindrucksvolle Bilder mit einer eigenen Tiefe, die zugleich besondere Geschichten erzählen. Der Künstler aus dem Kreis Offenbach ist dabei bereits zum zweiten Mal im Rahmen der Reihe "Kunst im Caritas-Zentrum" zu Gast in Gelnhausen. Während er 2023 den Blick auf das Leben von Menschen auf der Straße lenkte und soziale Kontraste in den Mittelpunkt nahm, widmet er sich diesmal unter dem Titel "Selbsthilfe analog" einem anderen, gesellschaftlich wichtigem Thema. Einem Thema, dass trotz seiner großen Bedeutung für viele Menschen oft im Verborgenen bleibt. "Man sieht es den Menschen nicht an", stellt er fest. Auch er selbst ist in der Selbsthilfe aktiv, gründete vor neun Jahren eine Selbsthilfegruppe für Männer mit Depressionen, die schnell gewachsen ist. Er ist Mitglied im Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention, Gründungsmitglied im Seligenstädter Bündnis gegen Depressionen und hat den Verein "Luis hilft" in Obertshausen gegründet, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Betroffene und Angehörige im Umgang mit Depressionen zu unterstützen und der nach nur einem Jahr mit dem Preis für Soziales Bürgerengagement des Landes Hessen ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit Tom Schüler vom Selbsthilfebüro Offenbach der Paritätischen Projekte gGmbH hat er die Wanderausstellung "Selbsthilfe analog" konzipiert. Für den Künstler auch eine Gelegenheit, chronische Erkrankungen aus dem Stigma und in die Gesellschaft zu holen. Egal ob Sehbehinderungen oder Suchterkrankungen, Schlafapnoe oder Epilepsie: "Vielen ist die große Spannbreite der Selbsthilfe gar nicht bewusst", stellt Tom Schüler fest, der seit 35 Jahren in diesem Bereich arbeitet. Und das, obwohl deutschlandweit etwa 3,5 bis 4 Millionen Menschen in rund 100.000 Selbsthilfegruppen aktiv seien. Längst nicht allen sieht man dabei an, dass sie ein ganz besonderes Päckchen zu tragen haben. Auch dies soll die Ausstellung verdeutlichen: "Es sind Leute wie du und ich und wir zeigen sie so, wie sie sind - ohne Effekthascherei", so Schüler.
Für die Aufnahmen hat Engelhardt die Männer und Frauen vor Ort in ganz Südhessen besucht. Ein spannendes Erlebnis, aus dem auch viele gute Kontakte entstanden sind. Auch in seiner eigenen Gruppe ist ein Foto für die Ausstellung entstanden: Es zeigt die ausgestreckten Hände der Männer, die gemeinsam einen Stein halten. Ein sehr symbolisches Foto, wie Engelhardt erklärt: "Wer Lasten trägt, braucht Unterstützung. Und jemand mit einer Depression trägt viel Last mit sich."
Auch den Ratsuchenden in der Fachambulanz für Suchtkranke sollen die Bilder Mut machen. In der Suchtkrankenhilfe spielt Selbsthilfe eine wichtige Rolle, wie Cosima Goncalves Silva, die Teamleiterin der Fachambulanz für Suchtkranke des Caritas-Verbandes für den Main-Kinzig-Kreis feststellt: "Selbsthilfe ist für jeden abhängigen Menschen gut. Der Austausch mit anderen gibt Kraft, gleichzeitig beschäftigt man sich auch nach abgeschlossener Reha weiter mit dem Thema: "Es ist wichtig, dass man dran bleibt", erklärt sie. Für viele Betroffene sind Selbsthilfegruppen wichtige Anlaufstellen und ein fester Baustein im Versorgungssystem. Das ehrenamtliche Engagement der Selbsthilfegruppen unterstützt der Caritas-Verband dabei gerne mit Räumlichkeiten, die er im Caritas Bildungshaus für die Treffen der Gruppen zur Verfügung stellt. Mit Blick auf die große Vielfalt an Selbsthilfegruppen auch vor Ort im Main-Kinzig-Kreis verweist sie auf die Webseite der Sekos Gelnhausen, auf der eine App beim Finden der passenden Gruppe helfen kann. Ihren Klient*innen rät sie dabei, nicht nach dem ersten Besuch aufzugeben. "Man sollte drei bis vier Mal hingehen, sich bei Bedarf verschiedene Gruppen anschauen und sich dann entscheiden", erklärt sie. Wenn man dann eine passende Gruppe gefunden hat, kann dies ein großer Gewinn sein. Dies ist auch den Gesichtern auf den Portraits der Ausstellung anzumerken. Bis zum Sommer sind sie im Caritas-Zentrum im Herzbachweg zu sehen und animieren während dieser Zeit vielleicht auch den ein oder anderen Besucher dazu, sich einmal mit dem Thema Selbsthilfe zu beschäftigen.