Langenselbold. - "Wie wollen wir sterben? Wie werden wir sterben?" - mit dieser Frage beschäftigten sich rund 100 Gäste bei der diesjährigen Podiumsveranstaltung Caritas trifft Politik im Schloss Langenselbold. Eingeladen hatte der Caritas-Verband für den Main-Kinzig-Kreis, um die Strukturen der Hospiz- und Palliativversorgung in den Fokus der öffentlichen Debatte zu rücken.
Emotionaler Auftakt
Ein eigens produzierter Film stimmte die Anwesenden ein. In eindrucksvollen Bildern zeigte er Erfahrungen und Schicksale am Lebensende und machte deutlich: Sterben betrifft alle - und würdiges Sterben ist keine Selbstverständlichkeit.
Fachliche Einordnung
Annette Böhmer-Seeliger, Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Hospizdienst, machte deutlich, dass die Bedingungen am Lebensende sehr unterschiedlich sind. Während Hospize eine qualitativ hochwertige Versorgung leisten, sterben die meisten Menschen in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder zu Hause - häufig unter schwierigen Umständen. Sie nannte Probleme wie überlastetes Pflegepersonal, fehlende Hausärzte, die Palliativpatienten zu Hause besuchen, sowie die Überforderung von Angehörigen. "Diese Symptome sind unaufschiebbar und unaushaltbar - für Patienten wie für ihre Familien", so Böhmer-Seeliger. Sie betonte, dass ehrenamtliches Engagement unverzichtbar sei, aber kein Ersatz für professionelle Strukturen.
Positive Beispiele
Susanne Simmler, Direktorin des Landeswohlfahrtverbandes Hessen, verwies auf das "Expertenteam Palliative Pflege" in den Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises. Dieses Modell habe nachweislich dazu geführt, dass Krankenhauseinweisungen in den letzten Lebenstagen deutlich zurückgingen - eine spürbare Entlastung auch für das Gesundheitssystem. Der erste Kreisbeigeordnete Andreas Hofmann lenkte den Blick auf die Zukunft. Bedingt durch den demografischen Wandel werde die Zahl pflegebedürftiger Menschen in den kommenden Jahren deutlich steigen. "Schon heute zeigt der Pflegebedarfsplan, dass die bestehenden Strukturen allein nicht ausreichen werden", so Hofmann.
Hochkarätige Politikerrunde
Hofmann brachte seine Expertise für den Main-Kinzig-Kreis auch in der anschließenden Podiumsrunde ein. Diese war in diesem Jahr erneut hochkarätig besetzt: Mit René Rock (FDP) und Dr. Daniela Sommer (SPD) nahmen gleich zwei Vizepräsident*innen des Hessischen Landtags teil. Außerdem stellten sich die Landtagsabgeordneten Max Schad (CDU) und Kathrin Anders (Grüne) sowie der Bundestagsabgeordnete Jörg Cezanne (Linke) den Fragen von Moderator Carsten Ullrich.
In der Debatte wurde deutlich, dass Hospiz- und Palliativversorgung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. René Rock sprach offen über persönliche Erfahrungen aus seiner Familie und machte klar, dass unzureichende Strukturen alle Menschen betreffen können - auch Politiker. Daniela Sommer betonte die Bedeutung einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit: "Dieses Thema können wir nur gemeinsam sinnvoll angehen." Kathrin Anders hob regionale Versorgungslücken hervor, und Jörg Cezanne verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die am Lebensende ohne familiäre Begleitung sind. Max Schad blickte außerdem auf den schon jetzt großen Fachkräftemangel im Bereich Pflege, der die Lösung der Versorgungsprobleme auch weiter zu einer großen Herausforderung machen werde. Aus dem Publikum kamen zudem Impulse: eine bessere Verankerung palliativer Inhalte in der Ausbildung von Pflegekräften sowie mehr Aufklärung der Bevölkerung über bestehende Unterstützungsangebote.
Fazit
Am Ende der Diskussion überreichte Annette Böhmer-Seeliger den Politiker*innen einen "Handschmeichler" mit dem eingravierten Wort Zuversicht. Er soll daran erinnern, dass die Diskussion nicht beim Abend enden darf, sondern konkrete politische Schritte folgen müssen. Die Gäste gingen nachdenklich, aber bestärkt nach Hause - mit der Gewissheit, dass das Thema "Sterben und würdige Begleitung" künftig stärker in den öffentlichen Fokus rücken muss.